Der optimale E-Reader

Der optimale E-Reader

Hier möchte ich meine Suche nach dem (für mich!) optimalen E-Reader beschreiben und aufzeigen, dass ich ihn ohne Open Source Software nicht gefunden hätte.

Zunächst einmal: Was sind denn meine Anforderungen an einen E-Reader? Wie muss ein E-Reader beschaffen sein, was muss ein E-Reader können, damit ich gerne damit lese? Eigentlich ist diese Frage recht einfach zu beantworten. Das Display sollte ein gutes Kontrastverhältnis haben und die E-Books sollen typografisch ansprechend dargestellt werden. Das ist alles. Man könnte auch einfach sagen: Der E-Reader soll in der Darstellung einem Buch möglichst nahekommen. Eigentlich ganz simpel, oder? Tatsächlich ist es etwas komplizierter und ich möchte hier einmal die Hardware und die Software getrennt voneinander betrachten.

Die Hardware

Betrachten wir hier also zunächst einmal nur die Hardware, also die Eigenschaften, die unabhängig von der Software gegeben sind. Ich beziehe nur Hersteller ein, von denen ich Geräte besitze oder besessen habe. Ausnahme hiervon ist Amazon. Kobo und Tolino betrachte ich getrennt, obwohl beide Brands aus dem Hause Kobo kommen.

Amazon (z.B. Kindle Paperwhite)

Kommen wir hier gleich zur Ausnahme: Ich habe noch nie einen E-Reader von Amazon besessen. Vom Hörensagen und laut einschlägiger Testberichte kann man jedoch von ausgesprochen guter Hardware ausgehen. Das Display ist klar und kontrastreich, insbesondere natürlich bei der neusten Generation mit eInk Carta 1200. Die Akkulaufzeit soll ausgesprochen gut sein. Disqualifiziert wird Amazon jedoch von vorne herein durch den goldenen Käfig. Amazon möchte nicht, dass man die freie Shop-Auswahl hat und lässt einen das auch spüren.

Kobo (z. B. Libra 2 oder Clara 2E)

Bei Kobo merkt man, dass dem Hersteller eine gute Displayqualität wichtig ist. Der Libra 2 hat vielleicht das beste Kontrastverhältnis überhaupt. Zumindest bei diesem Gerät sowie beim Clara 2E stimmt auch die Akkulaufzeit. Außer dem vielleicht etwas weniger wertig erscheinenden Äußeren, insbesondere beim etwas klobig wirkenden Libra 2, wüsste ich nicht, was es an den Kobogeräten auszusetzen gäbe.

Tolino (z. B. Vision 6 oder Shine 4)

Da die Tolinos von Kobo entwickelt und produziert werden, gilt hier zunächst einmal das selbe, wenn man über die Displayqualität redet. Allerdings war es Tolino anscheinend wichtig, dass die Geräte schneller sind, was evtl. dem Android-Unterbau geschuldet ist. Jedenfalls werkelt in den Tolinos mittlerweile eine schnellere CPU, was die Akkulaufzeit hingegen dramatisch einbrechen lässt und die Geräte absurd schnell wieder an die Steckdose müssen.

PocketBook (z. B. Verse Pro oder InkPad 4 oder Era)

Bei PocketBook paaren sich ein modernes und schönes Design mit suboptimaler bis enttäuschender Displayqualität. Alle PocketBook Reader gefallen mir vom Design her ausgesprochen gut. Der Touch HD 3 war von der Displayqualität auch noch konkurrenzfähig. Bei der aktuellen Generation hingegen hat sich beim Verse Pro trotz des hohen Preises nichts getan (also kein Carta 1200). Und bei dem Era sowie dem InkPad 4 merkt man schlicht nichts von dem aktuellen eInk-Display. Die Schrift erscheint merkwürdig flau und verwaschen. Das mag gar nicht so sehr auffallen, wenn man nicht wüsste, wie gut das bei anderen Herstellern aussehen kann.

Zwischenfazit Hardware

Unterm Strich bin ich hier ganz klar Team Kobo. Dieser Hersteller scheint ein echtes Interesse an der bestmöglichen Displayqualität zu haben. Außerdem, aber dazu gleich mehr, hat man es mit einem erfreulich offenen System zu tun. Amazon käme in die engere Wahl, wenn es hier nicht die Problematik des goldenen Käfigs gäbe. Tolino disqualifiziert sich selbst, da ihnen die Akkulaufzeit offensichtlich völlig egal ist. PocketBook macht zwar vieles richtig, ist aber ebenso raus, da ihnen wiederum die Displayqualität herzlich egal zu sein scheint.

Die Software

Nun soll die Software betrachtet werden. Das ist ein komplexes Thema, zumal es hier natürlich unterschiedliche Präferenzen gibt. Der eine mag es spartanisch, der anderen möchte viel konfigurieren können, dem Dritten ist eine gut funktionierende Wörterbuchfunktion das Allerwichtigste. Ich muss hier also stark vereinfachen und habe eben meinen eigenen Blickwinkel darauf.

Amazon

Ich weiß quasi nichts über die Software, die auf den Kindles läuft. Sorry.

Kobo

Zunächst gefällt mir die Bibliotheksfunktion sehr gut. Überträgt man etwa E-Books von Calibre aus auf den Kobo, werden nützliche Metadaten zum Kategorisieren und Sortieren des E-Book-Bestands verwendet. So werden die Bücher nach Sammlungen (etwa dem Genre) oder auch nach Serien gesondert sortiert. Auch die Kommentare (etwa der Klappentext) kann man sich anzeigen lassen. Das gefällt mir sehr gut!

Was das eigentliche Lesen anbelangt wird es hingegen kompliziert. Kobo verwendet eigentlich ein eigenes E-Book-Format, KEPUB, das eine leichte Abwandlung vom EPUB-Format ist. Bei KEPUBs wird eine eigene Reader-Engine von Kobo verwendet. Diese bietet nette Details, wie etwa Lesestatistiken, die Möglichkeit, dass man Bilder Bilschirmgroß betrachten kann, sowie eine flotte Reaktion auf Eingaben. Das wäre perfekt, doch das große Manko ist die Typografie. Ligaturen oder Kerning sucht man hier vergebens. Die Schriftdarstellung ist also nicht so gefällig wie sie sein könnte, nicht so schön wie man sie von einem Printbuch her kommend erwarten würde. Und auch die Silbentrennung ist nicht das gelbe vom Ei.

Nun kann man per Sideloading auf KEPUB verzichten und “reine” EPUB-Bücher lesen. Hier kommt dann eine Reader-Engine von Adobe zum Einsatz, wie sie auch auf anderen E-Readern verwendet wird. Anscheinend aber nicht in einer aktuellen Version, denn die Untersützung vom modernen EPUB3 ist hier nicht besonders gut. Ansonsten aber ist hier das Schriftbild ok, Ligaturen und Kerning vorhanden.

Tolino

Die Software von Tolino ist ein Trauerspiel. Zunächst werden kaum Metadaten unterstützt. Nur Titel und Autor werden verwendet. Eine vernünftige Organisation eines größeren Bücherbestandes auf dem Reader ist somit quasi unmöglich. Als Reader-Engine scheint auch das RMSDK von Adobe zum Einsatz zu kommen, aber auch in einer älteren Version. Bei EPUB3 erhält man jedenfalls immer eine Warnmeldung, dass das Format nicht unterstützt werde. Überhaupt stürzt die Leseanwendung gerne auch mal ab, insbesondere bei komplexeren E-Books.

Zwar ist schön, dass Tolino die Onleihe unterstützt, doch auch hier gibt es nur Probleme. Für das neuere DRM, das LCP, wird oft eine andere Leseanwendung - das “tolino Leseerlebnis” - gebraucht. Doch das ist an allen Ecken und Enden noch eine Baustelle. Und weiter gebaut wird hier anscheinend auch nicht. Seit Monaten gibt es keine neuen Versionen. Und wenn mal was kommt, ändert sich am “Leseerlebnis” überhaupt nichts. Die Softwarequalität bei Tolino ist bestenfalls mangelhaft.

PocketBook

Die Bibliotheksfunktionen von PocketBook sind mit die Besten. Ohne viel Dazutun werden die wichtigsten Metadaten verwendet und entsprechend differenziert lassen sich die E-Books durchstöbern. Genre, Serieninformationen, Klappentexte - alles da.

Und auch die Lesesoftware macht eigentlich keinen schlechten Eindruck. Die E-Books werden typografisch ansprechend dargestellt, wobei die Silbentrennung mitunter suboptimal ist. Die Formatierungseinstellungen jedoch sind nicht besonders umfangreich und werden teils sträflich vernachlässigt. So ist es immer noch nicht möglich, dass man das Textlayout im Blocksatz erzwingen kann. Zeilenabstände und Ränder kann man zwar einstellen, aber nur ähnlich rudimentär wie dies übrigens auch bei den Tolinos gemacht ist. Unterm Strich ist das Leseerlebnis bei PocketBooks aber durchaus okay.

Erwähnenswert ist noch die ausgesprochen gute Unterstützung der Onleihe mitsamt dem aktuellen LCP DRM. Das funktioniert absolut problemlos. Man kann direkt vom E-Reader auf die Onleihe zugreifen, die Bücher herunterladen und lesen. Abgesehen von der zeitlichen Begrenzung unterscheidet sich hier das Leseerlebnis überhaupt nicht vom Lesen von gekauften E-Books und man muss keine Klimmzüge machen wie bei Tolino.

Zwischenfazit Software

Hier bekleckern sich die Hersteller nicht mit Ruhm. Kobo ist die Typografie wurscht, PocketBook sind grundlegende Einstellungsmöglichkeiten für das Lesen von E-Books wurscht (Blocksatz!) und Tolino ist sowieso alles wurscht. Die Nase vorn hat unter den mir bekannten Herstellern PocketBook - mit den erwähnten Abstrichen.

Und die Lösung? Kobo + KOReader!

Welches also ist denn nun der optimale E-Reader? Keiner! Aber dank Open Source kommt man nahe dran. Die Lösung ist die Kombination der sehr guten Kobo-Hardware mit der besten Lesesoftware: Dem KOReader. Diesen muss man aber erst mal installieren. Tatsächlich ist diese Software auch für andere E-Reader verfügbar. Die Installation ist dann eben mehr oder weniger aufwendig. Auch die PocketBook-Geräte werden sehr gut unterstützt, doch da hier die Hardware (Display!) nicht so gut ist, fiel meine Wahl wie gesagt auf Kobo.

Erste Anlaufstelle für die Installation oder Fragen ist die KOReader-Webseite sowie das entsprechende Unterforum auf Mobileread.

Doch was ist denn nun so toll am KOReader? Das ist vor allem die typografisch sehr gute Darstellung von E-Books. Das gilt sowohl für die Silbentrennung aber auch für die oben genannten Ligaturen und das Kerning. Selbst Querverweise werden, wenn man das möchte, wie in echten Büchern als Fußnoten auf derselben Seite angezeigt. Das lästige Hin- und Herspringen an das Buchende und wieder zurück entfällt. Und es gibt einen bunten Blumenstrauß an Einstellungsmöglichkeiten. Man kann wirklich jede Kleinigkeit konfigurieren, so dass man die Darstellung von E-Books perfekt an die eigenen Bedürfnisse anpassen kann. Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe von Plugins für den KOReader, die wirklich nützlich sind. Hier möchte ich nur die umfangreichen Lesestatistiken und den Zugriff auf E-Book-Bestände mittels OPDS erwähnen.

Die Möglichkeiten, die der KOReader bietet, sind gewaltig. Allerdings erschließen sie sich auch nicht immer gleich auf den ersten Blick. Es bedarf etwas Einarbeitungszeit und Geduld - und man findet immer wieder mal eine Funktion, die man noch nicht kannte.

Derzeit ist für mich also der optimale E-Reader ein Gerät von Kobo (Libra 2 oder Clara 2E) in Kombination mit der Open Source Software KOReader. Aber auch hier gibt es einen Nachteil: Es werden nur DRM-freie E-Books unterstützt. Auf die Onleihe muss man also leider verzichten.