Test: tolino shine (5. Gen, s/w)
Ich hatte nun etwa zwei Wochen Zeit, den neuen tolino shine (5) zu testen. Das Gerät habe ich mir bei ebook.de gekauft.
Neue Firmware
Ich finde es eine gute und überfällige Entscheidung der tolino Allianz, dass mit dieser neuen Gerätegeneration auf die (angepasste) Kobo-Firmware gesetzt wird. Das androidbasierte System der Vorgängermodelle wurde aufgegeben. Die neue Firmware hat mich überhaupt erst dazu gebracht, es nochmal mit der tolino-Welt zu versuchen.
System stabil, aber WLAN wackelig
Das neue System bootet auffallend flott und läuft, soweit ich das bisher beurteilen kann, sehr stabil. Jedenfalls ist mir das Betriebssystem noch nicht abgestürzt. Wer schon mal einen Kobo-Reader in der Hand hatte, findet sich auch gleich auf Anhieb zurecht. Auf der Startseite werden im oberen Bereich die zuletzt gelesenen Bücher gezeigt. Darunter gibt es die von den tolinos bekannte Werbung, die sich übrigens nicht ausblenden lässt. Ganz unten kann man dann zur Bibliothek “Meine Bücher”, zum “Shop” oder zu “Mehr” (Beta-Funktionen, Einstellungen, …) navigieren. Das sieht aufgeräumt aus und überfordert niemanden.
Gleich zu Beginn wurde übrigens ein Update auf Version 5.0.175773 eingespielt, auf die meine bisherigen Eindrücke basieren.
Apropos, beim Synchronisieren wird u. a. nach Updates geschaut, die Werbung aktualisiert und auch die Lesestände mit der Cloud synchronisiert. Hierbei ist mir aufgefallen, dass die WLAN-Verbindung noch etwas wacklig ist. Teils ging es mit der Synchronisierung nicht voran, obwohl eine WLAN-Verbindung bestand, teils musste der Reader durch Antippen in der Liste der WLAN-Netze zum Verbindungsaufbau überredet werden, obwohl vormals schon eine Verbindung bestand, und die Zugangsdaten also bekannt sind.
Der Bildschirm
Aufgrund des verbauten E-Ink Carta 1300 Displays hatte ich gewisse (hohe) Erwartungen an die Displayqualität. Doch im Vergleich zu Carta 1200 hat sich augenscheinlich kaum etwas verändert. Wem es nur um Kontrast und Schwarzwert geht, der kann beruhigt bei seinem Carta 1200 Display bleiben. Dabei möchte ich die neuen Displays keineswegs schlechtreden. Ich habe daran überhaupt nichts auszusetzen. Ich habe mir lediglich eine (deutlichere) Verbesserung erhofft. Ansonsten haben wir es hier mit einem sehr guten Display und einer meiner Meinung nach sehr homogenen Ausleuchtung zu tun.
Bibliothek (Meine Bücher)
Ebenfalls bekannt aus der Kobowelt ist das Look & Feel der Bibliothek. Die Bücher lassen sich nach Kriterien des Lesestatus wie “Ungelesen”, “Angefangen” oder nach Herkunft wie “tolino Cloud”, “Importiert” usw. filtern. Auch die Sortiermöglichkeiten lassen eigentlich keine Wünsch offen. Neben der Bücherliste gibt es noch den Reiter “Autoren” sowie “Sammlungen”. Die Sammlungen funktionieren ähnlich wie bisher und werden mit der tolino Cloud synchronisiert.
Enttäuschend: Anders als bei den Kobos gibt es keinen Reiter “Serien”. Dieser Bereich wurde für die tolinos entfernt. Die Gründe hierfür sind mir ein Rätsel. Vielleicht hängt es mit der mangelnden Pflege der entsprechenden Metadaten bei den Verlagen/Händlern zusammen. Dass es viele Leser gibt, die diese Daten jedoch mittels Calibre pflegen, scheint kein Argument zu sein. Aber ich spekuliere hier nur.
Lesen
Die Lesesoftware scheint auf eine neue Engine zurückzugreifen. Optisch ähnelt sie sehr der bisherigen Kobosoftware. Die Einstellungsmöglichkeiten kommen einem daher sehr bekannt vor.
Sofort aufgefallen ist mir jedoch, dass es keine Silbentrennung gibt. Das ist mir unbegreiflich und lässt mich beinahe sprachlos zurück. Insbesondere wenn man gerne im Blocksatzlayout liest, geht das eigentlich gar nicht.
Ebenfalls fehlerhaft verhält sich das Ändern der Schriftart. Selbst bei den eingebauten Schriftarten kann es passieren, dass der Text plötzlich komplett fettgedruckt ist. Bei eigenen Schriftarten (die man in das Verzeichnis fonts kopiert) ist es noch schlimmer; diese werden meist gar nicht angewendet oder höchstens nur im fetten Schnitt.
Weiterhin werden manchmal die letzte bzw. erste Zeile einer Seite “abgeschnitten”. Das ist mir bisher vor allem in Büchern aufgefallen, die Grafiken enthalten.
Ansonsten läuft die Lesesoftware jedoch stabil und trotz der genannten Probleme habe ich mittlerweile mehrere Bücher damit zu Ende lesen können.
Ein Wort zum Akku: Die Laufzeit des Akkus hat mich positiv überrascht. Zwar hatte ich das Gerät das eine oder andere Mal über USB mit dem Rechner verbunden (wodurch der Akku kurzzeitig aufgeladen wurde), ansonsten musste ich in den zwei Wochen bisher noch nicht über ein Aufladen nachdenken. Das ist Topp und absolut zufriedenstellend. Man denke nur an die Akkulaufzeit des Vision 6 …
Onleihe
Lobend erwähnen sollte man auch, dass die Onleihe bzw. deren LCP-DRM unterstützt wird. Ich habe einige Bücher bisher problemlos ausleihen und lesen können. Leider werden bei Büchern aus der Onleihe keine Cover angezeigt. Wenn man mehrere davon auf dem Gerät hat, wird es natürlich schnell unübersichtlich. Anscheinend soll das Problem jedoch in Kürze mit einem Firmwareupdate behoben werden.
Viele kleine Kinderkrankheiten
Neben den oben genannten Fehlern gibt es auch noch so manch anderes, das noch nicht oder nicht richtig funktioniert. Das Öffnen eines Buches dauert unangenehm lange – auch, wenn es vorher schon einmal geöffnet wurde. Öffnet man das Cover, um den Reader aufzuwecken, legt er sich meist sofort wieder schlafen. Ich frage mich, wie das durch die Software-Qualitätssicherung rutschen konnte. Auch das soll bald per Firmwareupdate behoben werden.
Zusammenfassend folgt hier eine Liste der Bugs – teilweise wurden sie oben schon erwähnt –, die mir mehr oder weniger sofort ins Auge gesprungen sind:
- Das Öffnen eines EPUBs dauert (zu) lange. Vor allem, wenn es vorher schon einmal geöffnet wurde, sollte das (viel) schneller gehen. Manche berichten von minutenlangem Warten. Ich kann zumindest 10–20 Sekunden bestätigen.
- Keine Silbentrennung in EPUBs. Das geht eigentlich gar nicht (ich lese gerne mit Blocksatzlayout, da ist es besonders schlimm) und ist ein Rückschritt.
- Obwohl “Verlagsschrift” ausgewählt ist, wird nicht die im Buch eingebettete Schrift verwendet, sondern eine andere “Defaultschrift”.
- Eigene Schriftarten (im Ordner fonts) werden zwar erkannt, aber nicht oder nicht richtig angewendet. Selbst bei den integrierten Schriftarten gibt es Probleme (etwa: plötzlich wird alles im fetten Schnitt angezeigt).
- Manchmal wird die unterste/oberste Zeile einer Seite abgeschnitten. Das tritt vor allem dann auf, wenn das Buch Grafiken enthält.
- Beim Öffnen des Covers (Sleep Cover black) wacht der Reader häufig zwar kurz auf, geht dann aber sofort wieder in den Sleep Mode. Nach nochmaligem Zu- und Aufklappen funktioniert es dann (vielleicht). Ansonsten muss man sich mit dem Ein-/Ausschaltknopf behelfen. Das ist zu umständlich.
- Die Cover werden bei ausgeliehenen E-Books (Onleihe) nicht angezeigt. Andere E-Reader (z. B. von PocketBook) haben damit jedoch kein Problem. Es scheint nicht an der Onleihe zu liegen.
- Beim Lesen passiert es hin und wieder, dass plötzlich bei jedem Seitenwechsel ein Bildschirmrefresh ausgeführt wird, obwohl in den Einstellungen “Kapitel” eingestellt ist. Ich glaube, das passiert z. B., nachdem ein Bild angezeigt wurde.
- Der Klappentext (“description”-metadata) wird bei per USB auf den Reader übertragenen Büchern angezeigt, nicht jedoch, wenn man die (anderswo gekauften) Bücher über die Cloud hochgeladen hat.
- Die Information, die unter Einstellungen->Konto bei ADOBE angezeigt wird, ist irreführend. Man versteht es so, dass der Reader grundsätzlich keine Adobe-DRM Bücher mehr verarbeiten kann. Tatsächlich sollte ein Hinweis erscheinen, der darauf hinweist, dass über die Software Adobe Digital Editions eine autorisierung des Readers vorgenommen werden kann.
- Per USB auf den Reader übertragene Bücher kann man nicht in die Cloud hochladen.
Fazit
Ungeachtet der langen Liste an Fehlern bin ich doch positiv gestimmt. Ich traue es Kobo zu, die Kinderkrankheiten auszumerzen. Wenn alleine schon die Sache mit den Schriftarten behoben und die Silbentrennung funktionieren würde, wäre viel erreicht.
Insgesamt habe ich jedoch das Gefühl, dass die neuen tolinos einen Tick zu früh auf den Markt gebracht wurden. Die vielen Fehler sorgen für Unmut, was zu vermeiden gewesen wäre. In jedem Fall wäre es fatal, wenn die notwendigen Verbesserungen nun nicht konsequent angegangen würden.