George Eliot – Middlemarch
Der Roman erschien erstmals 1874 in Buchform. Um als schreibende Frau wahrgenommen zu werden (und vielleicht weil sie in damals skandalträchtiger “wilder Ehe” lebte), veröffentlichte Mary Anne Evans ihre Bücher unter dem Pseudonym George Eliot. Das Buch wurde mehrfach ins Deutsche übersetzt, zuletzt erschien sowohl eine vollständig überarbeitete Übersetzung von Rainer Zerbst (Reclam Verlag) sowie die von mir gelesene Neuübersetzung von Melanie Walz (Rowohlt Verlag).
Worum geht es?
Der Untertitel des Buches lautet “Eine Studie über das Leben in der Provinz”. Und genau das ist es. Eine ganze Reihe von Personen und deren Werdegang werden Teil der Handlung im fiktiven englischen Middlemarch. Die Autorin zeichnet ein lebhaftes Gemälde von den Skurrilitäten der englischen Provinz. Eine der Hauptfiguren ist z. B. Dorothea Brooks. Mit ihrer Naivität stürzt sie sich in eine Ehe mit dem deutlich älteren Edward Casaubon. Einem Intellektuellen, der ansonsten ein ziemlich blutleerer Knochen ist. Dorothea schlägt alle anderen Verehrer in den Wind, da sie fasziniert von der wissenschaftlichen Seite Casaubons ist und ihm bei seinen Forschungen und Publikationen helfen möchte. Die Ehe wird natürlich ein Desaster. Dann gibt es den zugereisten Dr. Lydgate, ein Arzt mit modernen Ansichten, der es sich in Rekordzeit mit den anderen Ärzten in Middlemarch verscherzt. Vertritt er doch auf überhebliche Art neue Behandlungsansätze. Auch er wird eine Ehe eingehen, die es nicht leicht haben wird. Viele weitere skurrile Personen sind mit von der Partie. Etwa der reiche und scheinheilig-religiöse Bankier Bulstrode, der ein dunkles Geheimnis seiner Vergangenheit geheimzuhalten versucht. Oder Dorotheas Onkel, Mr. Brooke, der politische Ambitionen hegt. Oder der freigeistige Will Ladislaw, ein Cousin von Casaubon und beständiger Dorn in dessen Auge. Oder, oder, oder…
Meine Meinung:
Der Wälzer ist schon eine gewisse Herausforderung. Man darf auch keinen actiongeladenen Roman erwarten, wo die Handlung in jedem Absatz vorangetrieben wird. Mary Anne Evans schafft es aber scheinbar spielerisch, ein Sittengemälde des 19. Jahrhunderts in der englischen Provinz zu zeichnen. Die inneren und äußeren Konflikte der Personen, die eben auch auf der damaligen gesellschaftlichen Etikette beruhen, werden eindrucksvoll und psychologisch absolut nachvollziebar in Szene gesetzt. Dabei spart die Autorin nicht mit ironisch-witzigen Bemerkungen und die machten mir das Lesen tatsächlich zum Vergnügen. Allerdings, Melanie Walz übersetzt den Roman aus einem komplexen, ältlichen Englisch in ein komplexes, ältliches Deutsch. Man muss also schon bei der Sache sein, um es mit den Satzkonstukten aufnehmen zu können. Mir ging es jedenfalls so. Die Mühe lohnt sich allerdings. Nicht umsonst gilt Middlemarch als einer der bedeutendsten englischen Romane des 19. Jahrhunderts. Das hat allerdings auch seinen Preis. Ich gebe zu, ich habe das Buch als E-Book aus der Bücherei ausgeliehen (sogar zweimal, weil die Zeit beim ersten Mal nicht reichte). Das Hardcover (und ich glaube es gibt noch keine Taschenbuchausgabe) schlägt jedenfalls mit 45 EUR zu Buche. Die Reclam-Ausgabe hingegen ist deutlich günstiger zu haben.
Doch, so sehr mit das Buch auch gefallen hat – der Verlag hat mich etwas enttäuscht. Ob es auch auf die Printausgabe zutrifft weiß ich nicht, aber im eBook gibt es doch eine ganze Reihe von Flüchtigkeitsfehlern, die bei dem Preis eigentlich nicht passieren dürfen. So wird anstelle von “Casaubon” etwa ein halbes Dutzend Mal “Causabon” geschrieben. Auch gibt es kleine Logikfehler, wie:
Inzwischen war Rigg mit der Brandyflasche gekommen, füllte den Flachmann und gab Rigg einen Sovereign, ohne ihn anzusehen, ohne ein Wort.
Und einige weitere Schreibfehler wie “der arme alter Peter”, “zuusamen” oder “Midddlemarch” waren mir dann doch etwas zu viel, wobei ich zugeben muss, dass ich da etwas pingelig bin.
Dennoch, von mir gibt es: ★★★★★
Daten zum Buch
- Autor: George Eliot
- Titel: Middlemarch
- Verlag: Rowohlt
- Übersetzerin: Melanie Walz
- Seiten (eBook): 1002